Kolumne

Tim Thoelke über uralte Fragen und gewaltige Logistikaufgaben

 

 

Energiekrise, Pandemie, Staatsverschuldung – und trotzdem zerbricht sich ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung dieser Tage wieder über die gleiche uralte Frage den Kopf: Gibt es den Weihnachtsmann wirklich?

 

Wenn wir uns dem Thema einmal abseits von Okkultismus nähern, stellen wir fest, dass die Existenz des Weihnachtsmanns keineswegs ausgeschlossen ist. Auch wenn sein Lebensraum im finnischen Lappland auf Dauer sicher nicht unentdeckt geblieben wäre, könnte Santa Claus doch sehr wohl zu den sogenannten isolierten Völkern gehören. Die Theorie, dass so eine kleine Menschengruppe unentdeckt am Nordpol existiert, scheint aufgrund mangelnder Ressourcen im ewigen Eis zwar schwer vorstellbar, allerdings könnte sich der Weihnachtsmann durchaus in einer ganz anderen Region versteckt halten. Die meisten unentdeckten indigenen Gruppen wurden nämlich vornehmlich in den dicht bewaldeten Gebieten Lateinamerikas und Westneuguineas gesichtet, weswegen wir annehmen dürfen, dass noch weitere dort existieren. Erst 2008 gingen Luftbilder um die Welt, die im brasilianischen Acre eine Menschengruppe zeigten, die bislang keinen Kontakt zum Rest der Welt hatte. Tatsächlich gibt es in den tropischen Regenwäldern bis heute gänzlich unerforschte Gebiete, und neue Sichtungen beweisen immer wieder die Existenz unentdeckter Gemeinschaften – zu denen theoretisch auch eine unbekannte Anzahl Weihnachtsmänner gehören könnte.

 

Für einen Wohnsitz in der Nähe des Äquators würde auch die zentrale Lage sprechen, die hilfreich beim Erreichen der weltweiten Ziele mit dem Schlitten wäre. Womit wir aus wissenschaftlicher Sicht bei einem weiteren Problem wären: Wie schafft es der Weihnachtsmann, Geschenke an 2,4 Milliarden Kinder auf der Erde zu liefern – in nur einer Nacht? Eine gewaltige Logistikaufgabe.

 

Bei genauerem Hinsehen stellen wir fest, dass es nicht ganz so viele kleine Kunden sind, die der Mann mit der roten Mütze am Weihnachtsabend ansteuern muss, denn soweit wir wissen, liefert er weder an Moslems noch an Juden, Hindus, Buddhisten oder Angehörige von Sekten (bei Atheisten und Agnostikern ist sich die Forschung unsicher). Damit reduziert sich die Zahl der Kunden auf etwa ein Drittel, also auf ca. 800 Millionen. Wenn wir weltweit eine Kinderzahl pro Haushalt von vier annehmen (und davon ausgehen, dass mindestens eines davon über das Jahr gesehen als „brav“ einzustufen ist), dann sind wir also bei insgesamt 200 Mio. Zustellungen.

 

Aufgrund der verschiedenen Zeitzonen, die der Weihnachtsmann bereist, kann er, bei einer Route von Ost nach West, seinen Arbeitstag auf 31 Stunden ausdehnen. Daraus ergibt sich also jeweils etwa eine halbe Millisekunde Zeit für das Erledigen seiner bekannten Routine: Schlitten anhalten, Geschenke heraussuchen, Schornstein herunterklettern, die Pakete unter dem Weihnachtsbaum drapieren, bereitgelegte Kekse und Milch vertilgen, zurück nach oben bouldern, in den Schlitten springen und zum nächsten Haus rasen.

 

Wenn wir, grob gerechnet, von etwa einem Kilometer Entfernung zwischen den Haushalten ausgehen, sprechen wir hier von einer Gesamtstrecke von 200 Mio. km. Das bedeutet, der gute alte Santa muss seinen Schlitten auf etwa 1.800 km pro Sekunde beschleunigen, also auf mehr als die 5.000-fache Schallgeschwindigkeit, und das quasi aus dem Stand.

 

Dabei führt die Ladung des Schlittens zu einem interessanten Effekt. Selbst wenn jedes Kind nur ein Geschenk mit einem Gewicht von einem Kilo bekommt (und das wären gerade mal ein Monopoly-Spiel und ein paar Nüsse), ergibt sich daraus eine Gesamtlast von 800.000 Tonnen. Nun kann ein gewöhnliches Rentier nur etwa 175 kg ziehen, doch wir gehen natürlich davon aus, dass ein fliegendes Rentier deutlich mehr schafft, sagen wir einfach mal: das zehnfache. In diesem Fall müsste man aber nicht nur acht oder zwölf Rentiere vor den Schlitten spannen, sondern 457.000. Deren Masse erhöht das Gewicht des Schlittens auf insgesamt 882.000 Tonnen – und da ist der riesige Schlitten sowie der allgemein als übergewichtig beschriebene Weihnachtmann noch nicht einmal mitgerechnet.

 

Wie der Autor Niko Schniedellaus schon 1999 in der Fachzeitschrift Polyzei richtig erörterte, ergeben sich daraus einige physikalische Probleme: 882.000 Tonnen Raumlast bei einer Geschwindigkeit von 1.800 km/s erzeugen einen unvorstellbaren Luftwiderstand. Schniedellaus schreibt: „Das vorderste Paar Rentiere muss hierbei pro Sekunde 16,6 Trillionen Joule Energie absorbieren. Dadurch werden die Tiere in praktisch unvorstellbar kurzer Zeit in Flammen aufgehen, das nächste Paar wird daraufhin sofort wieder dem Luftwiderstand ausgesetzt und erfährt das gleiche Schicksal. Infolge der Kettenreaktion kommt es zu einem ohrenbetäubenden Knall und das gesamte Rentiergespann wird in fünf Tausendstel Sekunden vaporisiert.“

 

Und auch der Weihnachtsmann kommt bei seiner gut gemeinten Mission nicht ohne Blessuren davon: Dadurch, dass er einer Beschleunigung in einer Größenordnung der 20.000-fachen Erdbeschleunigung ausgesetzt wird, hat das, laut Schniedellaus, bei einem geschätzten Körpergewicht von 120 kg (eher untertrieben) zur Folge, „dass der Mann mit einer Kraft von 20,6 Millionen Newton an das Ende seines Schlitten genagelt wird“.

 

Zusammenfassend kann man Folgendes sagen: Der Weihnachtsmann existiert vielleicht. Am Weihnachtsabend wird er aber sehr wahrscheinlich von mindestens 400.000.000 Helfern unterstützt. Ich wünsche diesen viel Spaß bei der Arbeit und ein frohes Fest!

 

 

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