Kolumne

Tim Thoelke über Dagobert Duck, Sportwagen und Fußballprofis

 

Foto: Enrico Meyer

„Aber warum, Mann, vertrödeln Sie Ihre kostbare Zeit mit diesem blödsinnigen Kohlgeruch? Sie könnten der Herr der Welt sein!“, fragt Dagobert Duck in Die Kohldampf-Insel einen genialen Wissenschaftler, der sein Leben der Entwicklung von geruchlosem Kohl gewidmet hat. Die Antwort des Professors kommt so lapidar wie tiefsinnig daher: „Sicher, sicher! Aber es gibt schon so viele Herren der Welt und so wenig demütige Menschen.“

 

Auch wenn der gute alte Dagobert es nie verstehen wird: Der Kohl-Professor hat recht. Geschäftlicher Erfolg hat nicht besonders oft nachhaltig positiven Einfluss auf unsere Welt. Viel schneller und einfacher entsteht dagegen der aus Erfolg resultierende tagtägliche negative Einfluss auf die Erde: übergroße SUVs, Vielfliegerprogramme, weggeworfenes Essen.


Wenn es darum geht, was man im Leben so erreichen möchte, höre ich nicht selten Menschen von dem Bedürfnis sprechen, „etwas zu hinterlassen“, einen „Fußabdruck“, etwas „Bleibendes“. Aus ökologischer Sicht muss man sagen: Leider gelingt ihnen das auch immer.

 

Auch wenn es unseren Vorstellungen von Erfolg oder Leistung erst einmal widerspricht – die Umwelt würde es uns danken, wenn wir hier ganz passiv bleiben würden, keinen Fußabdruck, einfach gar nichts hinterließen und stattdessen so unauffällig wie möglich wieder von der Erde verschwinden würden.

 

Interessanterweise wird der fahrlässige Umgang mit der eigenen (ist ja leider nicht wirklich die eigene, sondern am Ende die von uns allen) Ökobilanz von uns oft gar nicht als negativ wahrgenommen. „Ich war letzte Woche vier Tage für einen Kurzurlaub in Thailand“, „Ich esse jeden Tag eine frische Avocado“ oder „Guck mal, mein neuer Sportwagen – 280 PS!“ wird eher mit anerkennendem Nicken goutiert als mit Kopfschütteln bedacht.

 

Ich frage mich, ob es uns mit diesen Sätzen irgendwann so geht wie mit solchen, die man manchmal in alten Filmen hört: „Oh, es ist ja schon fast Mittag, möchtest du auch einen Whisky?“, „Ja, ich bin jetzt im achten Monat und es tritt auch schon kräftig zu – hast du mal Feuer?“ oder „Sie haben aber einen tollen Vorbau, Frau Direktor!“.

 

In geschäftlichen Dingen wird Durchhalten oft als Schlüssel zum Erfolg beschrieben. Nie aufgeben, der Erfolg kommt dann irgendwann von allein. Das stimmt mit meiner Lebenserfahrung nicht immer überein, kenne ich doch viele Geschichten von Ideen (egal ob gute oder schlechte), an denen viel zu lange festgehalten wurde, auf die unglaublich viel Energie, Zeit und Geld verschwendet wurde und die am Ende doch nie gezündet haben. Im Gegensatz zu Pokerspielern, bei denen ein guter Fold als bewundernswert gilt, erfährt unter Geschäftsleuten ein Begriff wie Loslassen und der damit verbundene passive Erfolg kaum Würdigung.

 

„Wenn du groß bist, kannst du alles werden, was du willst“, sagen Eltern zu ihren Kindern und streichen ihnen dabei zärtlich übers Haar. Doch wir alle wissen, dass dies eine Lüge ist: Die meisten Kinder sind einfach zu dumm, zu faul oder zu untalentiert um Astronautinnen, Fußballprofis oder Rockmusiker zu werden.

 

Ehrlicher wäre es, wenn man die gängigen Erfolgsformeln um das Passive erweitern würde, denn nichts tun, das kann wirklich jedes Kind. Es wäre nicht gelogen, wenn man seinem Spross nach dem Gute-Nacht-Kuss ins Ohr flüsterte: „Wenn du mal alt bist und du hast überhaupt nichts gemacht, was irgendwie nachweisbar ist, dann kannst du sehr stolz auf dich sein.“

 

Es ist doch so: Den Sinn des Lebens gibt es wahrscheinlich nicht. Dafür sind wir einfach zu unbedeutend im Universum. In kosmischen Relationen ist es ganz egal, ob wir unseren Planeten zu einem besseren Ort machen oder ihn morgen in die Luft sprengen. So gesehen geht es bei dem, wie wir uns während unserer Lebenszeit auf der Erde verhalten, nur um eine einzige und auch etwas fragwürdige Sache: um Moral.

 

Zum Champions-League-Spiel von RB Leipzig in Lyon fahre ich mit der Bahn. Für Hin- und Rückfahrt sitze ich deswegen 19 Stunden im Zug. Nein, diese Reise ist damit noch lange nicht klimaneutral. Aber es ist etwas, das ich machen kann. Passiv-erfolgreich.

 

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